Tiere in Gefangenschaft
Menschen halten seit Urzeiten Vögel und andere Haustiere. Fast alle indigenen Völker in den Tropen halten Papageien und schon Alexander der Große brachte die nach ihm benannten Großen Alexandersittiche und Halsbandsittiche von seinem Eroberungsfeldzug von Indien mit nach Alexandria.
Viele Haustiere hatten ursprünglich einen eher praktischen Nutzen, andere, wie die meisten sog. "Ziervögel", bedienen die Sehnsucht des Menschen nach einem Stück Natur, sind ein Partner gegen die Einsamkeit, werden therapeutisch eingesetzt oder fördern bei Kindern die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung.
In gut geführten Zoos dagegen fungieren vor allem sog. Wildtiere als Botschafter ihrer Art und ihres angestammten Ökosystems. So erhalten Menschen die Möglichkeit, Tiere live zu erleben, die sie ansonsten nie zu Gesicht bekämen. Das Bewusstsein für die Bedrohung der Natur wird so geschärft. Nur was man kennt und liebt, motiviert die meisten Menschen dazu, es zu schützen. Außerdem bieten Bestände geschützter Arten in Gefangenschaft eine gewisse Notreserve des gefährdeten Genpools.
Wir wollen hier aber keine ethische Grundsatzdiskussion führen, zumal ein generelles Verbot der privaten Vogelhaltung ohnehin keine politische Mehrheit finden dürfte. Keine regierungswillige Partei wird ernsthaft propagieren, dem Rentner seinen Kanarienvogel oder dem Kind seinen Wellensittich wegzunehmen. Insoweit darf man schlicht und wertfrei feststellen, dass der Wunsch der Menschen nach einem Haustier derzeit und wohl auch zukünftig eine entsprechende Nachfrage nach sich ziehen wird, die in jeder denkbaren Marktwirtschaft auch bedient werden wird.
Bei Vögeln zur Heimtierhaltung kann diese Nachfrage entweder durch Wildfänge oder durch Nachzuchten bedient werden.
Wildfänge sind abzulehnen, da sie einen massiven Eingriff in bestehende Ökosysteme darstellen. Außerdem liegt bei Wildfängen die Sterblichkeitsrate beim Fang, Transport und der Eingewöhnung in den ersten drei Monaten bei 90-95 %. Zudem stehen die Tiere oft auch später unter Stress. Insoweit sprechen wir uns ausdrücklich auch gegen rechtlich legale Wildfänge aus.
Nachzuchten dagegen stellen keinen Eingriff in ein Ökosystem dar und sind von den ersten Flugversuchen an bereits an die Begrenzungen von Volieren und an die Nähe des Menschen gewöhnt, leiden also unter weniger Stress als Wildfänge. Jede einzelne erfolgreiche Nachzucht rettet angesichts der angesprochenen Sterblichkeitsrate bei Wildfängen 90-95 Vögeln in Freiheit das Leben.
Wenn man sich nun also dafür entscheidet, ein Tier in einen Käfig zu sperren, ist es wohl das Mindeste und eine Frage des Respekts vor einem abhängigen Lebewesen, diesem den Aufenthalt so artgerecht und angenehm wie möglich zu gestalten. Dazu gehören bei Prachtfinken, Kanarienvögeln, Sittichen und Papageien ohne jede Diskussion vor allem ein Artgenosse sowie viel Platz und Freiflug.
Auswilderungen
Man könnte auf die Idee kommen, dass gefährdete Vögel aus Beschlagnahmungen oder Nachzuchten an Auswilderungsprogrammen teilnehmen sollten. Diese Ansicht können wir nicht uneingeschränkt teilen.
In Gefangenschaft nachgezüchtete Vögel sind es weder gewöhnt, sich ihre Nahrung selbst zu beschaffen noch daran, sich vor Fressfeinden zu tarnen und unauffällig zu verhalten. Die Verlustrate dürfte daher sehr hoch sein.
Außerdem sind sie, wie jedes Lebewesen, Träger von Viren und Bakterien, gegen die sie selbst zwar eine Immunität entwickelt haben, bestehende Wildbestände aber nicht. Bei einer Auswilderung würde man möglicherweise Krankheiten, die es bisher nur in Menschenobhut gibt, aus der Gefangenschaft auf die Wildbestände übertragen mit unter Umständen verheerenden Folgen.
Eine Auswilderung scheitert aber häufig bereits daran, dass das ursprüngliche Habitat bereits zerstört oder nicht zugänglich ist, sei es durch Eingriffe des Menschen (Kriege, Waldrodungen, Staudämme, intensive Landwirtschaft etc.) oder Naturkatastrophen (Hurrikane, Waldbrände etc.). Es gibt also oft schlicht gar keinen Ort, an dem man eine Auswilderung vornehmen könnte.
Eine Ausnahme kann man hier für einheimische Vögel machen, beispielsweise Jungvögel, die aus dem Nest gefallen, von Menschen gefunden und aufgezogen worden sind. Dies ist aber nur unter der Bedingung möglich, dass keiner der Kontaktpersonen gleichzeitig Kontakt zu Käfigvögeln oder Nutztieren wie Hühnervögeln hat. Da in einem solchen Fall das Risiko der Krankheitsübertragung nahezu ausgeschlossen und das Habitat noch vorhanden ist, erscheint eine Auswilderung vertretbar. Außerdem ist bereits eine solche Naturentnahme durch Privatpersonen gesetzlich untersagt, geschweige denn die Haltung. Daher muss das Risiko, dass der möglicherweise sogar auf den Menschen fehlgeprägte Vogel in Freiheit verhungert oder selbst zeitnah gefressen wird, vernachlässigt werden. Insoweit kann die Sinnhaftigkeit der Handaufzucht von Wildvögeln durchaus differenziert betrachtet werden. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht.